Rückblick auf 4 1/2 Jahre Erica
So lange bin ich jetzt schon selbstständig, manchmal kann ich es kaum fassen. Es wird Zeit, für einen Rückblick auf die letzten Jahre.
Als ich Erica 2017 eröffnete, hatte ich, trotz entsprechender Ausbildung, nicht viel Ahnung von betriebswirtschaftlichen Dingen. Was mich antrieb, war der Drang nach Selbstständigkeit. Ich hatte in den letzten Jahrzehnten in verschiedenen Läden gearbeitet und Gehälter ausgezahlt bekommen, die mir die Tränen in die Augen trieben. Ich hatte keine Lust mehr, mich ausbeuten zu lassen. Also lieh ich mir von einem Freund Geld und machte mich auf die Ladensuche. Ab sofort wollte ich mich selbst ausbeuten (hahaha).
Die anfängliche Suche beschränkte sich auf die Stadtbezirke Mitte und Friedrichshain. Wenn nicht dort, wo dann könnte ein Laden für Naturkosmetik funktionieren? Allerdings merkte ich bald, dass sich das nicht so richtig gut anfühlte. Zum einen: ich hatte keinen Bock auf den langen Arbeitsweg und zum anderen: ich dachte, diese Bezirke sind, wie sich ins gemachte Nest zu setzen. Neukölln hatte einen nachhaltigen Laden viel nötiger! Also tat ich das einzig Unvernünftige und suchte in meiner Hood. In die Ruine, die die Hausverwaltung als Ladengeschäft in B-Lage betitelte, verliebte ich mich sofort und ab dann ging alles superschnell – ich zog mir nen Blaumann an und renovierte auf die denkbar stümperhafteste Weise diese runtergerockte Bude. Von Böden abschleifen bis streichen waren alle Dinge dabei, von denen ich absolut keine Ahnung habe und im Oktober dann eröffnete ich.
Bei der Produktauswahl bekam ich im Vorfeld den Tipp, sogenannte Verkaufsgaranten mit an Bord zu nehmen, was ich auch umsetzte, obwohl es sich nicht so richtig gut anfühlte. Eigentlich hatte ich damals schon mehr Bock auf Nische! Witzigerweise schluckte L’Oréal ein paar Monate später die Firma Logocos (Logona und Sante) und damit war meine Entscheidung, hauptsächlich mit kleinen HerstellerInnen zu arbeiten, in Stein gemeißelt. Auf den Restbeständen blieb ich sogar noch sitzen, als ich sie 50% reduzierte.
Ich stellte nach und nach das Sortiment um und Erica wurde immer interessanter für Menschen, die auf der Suche nach nachhaltigen Kosmetikprodukten waren. Die große Range an Haarseifen hatte ich von Beginn an, das war mir wichtig, weil ich mir eine kompetente Beratung gewünscht hätte, als ich selbst mit der Umstellung begann.
Etwa ein Jahr lang stand ich täglich in diesem Laden und musste Fragen beantworten wie „Wieso soll ich bei dir 5 Euro für ein Stück Seife bezahlen, wenn ich es bei DM für 1 Euro kaufen kann?“ und „Lohnt sich das hier überhaupt?“.
Bis zu diesem denkbaren Augenblick, als im privaten Fernsehen eine Sendung ausgestrahlt wurde, in der ein Mann als Experiment seine Nahrung ausschließlich aus Plastikgeschirr aufnahm und am Ende dann ärztlich diagnostiziert bekam, dass Partikel davon in seinem Hirn gelandet seien. Oder so ähnlich.
Ab diesem Zeitpunkt rannte man mir die Bude ein. KundInnen wollten massenweise Ihre Shampoos und Duschgele fortwerfen und sie gegen feste Produkte austauschen. Ich musste sehr viel Überzeugungsarbeit leisten und beruhigen und auch manchmal schimpfen. Aber eines wurde mir klar: ich galt als eine Art Pionierin, weil ich auf keinen fahrenden Zug aufgesprungen war, sondern mich schon vor Erica viele Jahre mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigt hatte. Die Leute vertrauten mir.
Der Laden lief gut, ich veränderte mich stetig, nahm Produkte hinzu, stieß einige wieder ab, bot Zero Waste-Workshops an, begann, selbt zu produzieren und im vierten Jahr dann kam Corona. Obwohl ich als systemrelevant galt und öffnen durfte, kam kaum noch jemand in den Laden. Zusammen mit meiner Freundin Maria, die eine Granate in Sachen PR ist, baute ich den Onlineshop neu auf, weil sich alles nur noch dort abspielte. Auch nach zwei Jahren Pandemie ist das noch so. Die Menschen haben ihr Einkaufsverhalten verändert, das Konzept von Erica, unterdessen e.e.m. funktionierte nicht mehr so, wie ich es mir anfangs ausgemalt hatte. Und was noch vor einem Jahr unfassbar frustrierend für mich war, sehe ich jetzt als eine Chance, mich zu verändern und zu wachsen. Ich habe richtig Bock!
In Zukunft werde ich meine Zelte in Schöneberg aufschlagen. Die Ladenfläche wird sehr viel kleiner und ich werde, bis auf wenige Ausnahmen, nur eigene Produkte anbieten. Der Produktionsbereich wird sich wesentlich vergrößern, weil mein neues Angebot „personalisierte Seifen für Unternehmen“ gut angenommen wird. Ich stelle keine 20 Seifen mehr her, sondern 1000.
Vieles ist anders als vor 5 Jahren, aber das ist schön und gut und macht unfassbar viel Spaß. Ich arbeite mit tollen Menschen zusammen und bin glücklich und demütig, nicht die Schürze hingeschmissen zu haben.
Wir sehen uns in Schöneberg!
Damals noch mit roten Haaren. Foto: Magdalena Vidovic
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