Warum Punk sich durch mein Unternehmen zieht

Warum Punk sich durch mein Unternehmen zieht

Der Grund, warum ich e.e.m. intuitiv und exakt nach den Vorstellungen führe, die meinem Herzen entspringen, liegt auf der Hand - ich bin das Unternehmen. Ich habe es alleine gegründet und aufgebaut, ich habe es im letzten Jahr alleine vor die Wand gefahren und stelle es jetzt wieder alleine auf die Beine. Und  natürlich habe ich Hilfe. Ich arbeite mit so tollen Frauen zusammen (Gretel, Nadja, Claudia), die jede in ihrem Gebiet die besten und tollsten sind, ich frage meinen Mann und meine FreundInnen um Rat und natürlich auch meine Mutter. Aber die Entscheidungen treffe ich am Ende für mich. 

Als der Wunsch nach einer exklusiven Seifenlinie aufkam, formte sich schnell ein konkretes Bild im Kopf. Die Seifen müssen zwingend bunt sein, eine Banderole aus Samenpapier und Namen, die Bums haben. Das Samenpapier habe ich schon im Kopf, seitdem es e.e.m. gibt, weil ein lieber Verwandter früher Etiketten für Weinflaschen aus diesem Material entworfen hat. So lange schwirrt das schon in meinem Hirn herum. 

10 der 16 Seifen entwickelte ich an einem Sonntag in der Werkstatt, als mein Sohn bei den Großeltern war und niemand zuhause auf mich wartete. Die Banderole gestaltete mir Lisa (<3), die Sicherheitsbewertungen waren so schnell durch wie der Wind und die Namen der Seifen waren ebenfalls bald gefunden. Das es Songs sein mussten, die mich in irgendeiner Art geprägt haben, war klar, aber gesellschaftskonform sollten sie sein, also begann ich mit Blondie und liebäugelte sogar mit Pink Floyd, obwohl ich null Interesse an dieser Band habe. Ein besonders heller Moment dann stellte mir die Frage: wie zur Hölle sollen die Menschen dein Produkt lieben, wenn du es selbst nicht tust? Und der Moment hatte Recht. Ich ließ es also fließen und die Namen sprudelten aus meinem Herzen direkt auf die Banderole. 

 

Die Terrorgruppe

Als ich 16 war, zog ich von Vorpommern in den Schwarzwald nach Freiburg. In der Berufsschule lernte ich 1000 Mark kennen, der mich bald seinen Freunden vorstellte. Diese hausten nachmittags sowie an den Wochenenden im Keller von Tom, kifften und hörten lauten Punk. Das kam mir damals sehr zu pass, denn ich war selber mit Punk sozialisiert und suchte in Vorpommern vergebens nach Gleichgesinnten. Im selben Jahr erschien das Album „Melodien für Milliarden“ der Terrorgruppe und im Keller, auf Partys und im Fiat Bambino von Dominik lief nichts anderes mehr. Seitdem, also seit mehr als einem viertel Jahrhundert begleitet mich diese Band durch mein Leben. 2022 fand das letzte Konzert statt, bevor die Herren in Punkrockrente gingen und um den Kreis zu schließen, gingen Tom und ich gemeinsam dort hin. Ich habe bei einem Konzert noch nie geweint - dort tat ich es quasi ununterbrochen. Ich kann von Glück reden, dass ich Archi Alert manchmal beim Einkaufen im Edeka treffe. 

 

Boxhamsters

Der Ausgangspunkt ist ein ähnlicher. Gerade in den Neunzigern waren die Boxhamsters ein signifikanter Teil der Szene. Jedes einzelne Lied ist ein Meisterwerk der Tiefsinnigkeit mit den schönsten Klängen und natürlich denke ich auch an den Keller, wenn die Platte läuft, aber die interessanteste Erinnerung habe ich an Anfang der 2000er, als mein damaliger Freund und ich auf ein Konzert nach Gießen fuhren. Stefan parkte sein Auto direkt vor der Tür des JUZ und besoff sich anschließend in einer solchen Lichtgeschwindigkeit, dass er beim anschließenden Interview (er hatte damals ein Fanzine namens Pankerknacker) keine einzige Frage mehr rausbrachte. Während ich einen spaßigen Abend mit der Band verbrachte, lag er mit Edding bemalt (macht man das heute immer noch so? Wer abkackt, wird angemalt?) auf dem Kneipentisch. 

 

Dackelblut, Angeschissen, Oma Hans

Das sind alles Bands mit dem selben Sänger: Jens Rachut, eine Legende! Es gibt übrigens noch mehr Bands in dieser Konstellation, aber ich habe mich für Titel von diesen dreien entschieden. Meine erste Platte war „Fluten und Tauchen“ und bitte - höre sie dir an - es gibt kaum Musik mit mehr Dynamik, mit mehr Tiefgang und Poesie im deutschen Punk. Diese Platte wurde 2001 aus Frustration oder Wut, vielleicht auch beides, von meinem damaligen Freund zerstört. Ich habe sie mir aber nachgekauft und sie läuft noch heute regelmäßig auf unserem coolen Plattenspieler. Jens Rachut zu erreichen, ist übrigens in etwa so schwierig, wie eine Audienz beim Papst zu bekommen (ich frage die Bands vorher, ob ich ihre Lieder nutzen darf). Letztendlich schaffte ich es über den Ventil Verlag, denn Jens schreibt auch Bücher. Auf meine Frage, ob ich ihm ein paar Seifen zum Dank zuschicken dürfe, antwortete er: „Mach mal, wie du denkst, Antje. Ich hoffe, es wird bald warm.“ Ich sag's ja - Legende!

 

Knochenfabrik

Diese Band gehörte immer dazu, wenn man auf Partys stand. Der Sänger Claus hat eine so schiefe Singstimme, dass einem ganz schwindelig wird. Als ich mich mit ihm mal in Köln unterhielt, sagte er zu mir, er hätte den heiligen Geist gesehen. Das fand ich beeindruckend. Allerdings war auch viel Alkohol im Spiel, also wer weiß, ob seine Sicht nicht getrübt war. Das Lied „Filmriss“ hat mein Sohn mit 4 auf dem Weg in die Kita im Auto mitgegrölt. Ich hatte ihn vorher gefragt, ob er den Traumzauberbaum hören wolle, aber er wollte lieber Knochenfabrik. Ich liebe dieses Kind einfach. 

 

Leider ist das, was wir in der 90ern immer überall draufgeschrieben haben, nämlich das Punk nicht tot ist, unterdessen eingetroffen. Die alten Punks gehen in Rente und es kommen kaum noch junge nach. Das ist ein wahre Tragödie, weil diese Subkultur für mich eine so kraftvolle, gewinnbringende ist und das ist auch der Grund, warum ich sie durch mein Leben trage. Mit allem, was sie aussagt. Freiheit, Selbstbestimmtheit, Mut, DIY, Auflehnung gegen Ungerechtigkeiten und Laut sein. Für mich gilt also nach wie vor: Punx not dead!

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